Wir haben uns überlegt, dass wir drei Fälle aus dem Vest Recklinghausen beschreiben wollen. Zwei davon sind besonders gut belegt, die Fälle von Trine Plumpe und Anna Spiekermann. Sie waren die Opfer.
Wer waren die Täter? Das waren in erster Linie neidische Nachbarn, alle am Prozess Beteiligten, wie Bürgermeister, Stadträte und Scharfrichter. Aber der Haupttäter war die Kirche, wie die Stadtführerin, Frau Wefringhaus, uns erzählte.
Konfliktanalyse | Trine Plumpe |
Anna Spiekermann |
Wer gegen wen? |
Die Nachbarin Frau Vogt klagte gegen Anna Schorfeld, auch genannt Plumpe und ihre Tochter Trine Plumpe. Alle drei waren angesehene Bauersfrauen. |
Ein junger Mann, namens Krampe, der nach der Überlieferung als Trinker und Schläger bekannt war, klagte gegen Anna Spiekermann, eine junge Frau, die unehelich geboren war, ihren Mann und ihr Kind verloren hatte und als Magd auf dem Bauernhof einer Verwandten in der Bauernschaft Westerholt arbeitete. |
Wann ? |
29.06.1650 (Verhaftung Anna Schorfeld)
01.08.1650 (Verhaftung Trine Plumpe) |
Verhaftet um die Jahreswende 1705/06 |
Wo ? |
Bauernschaft Hochlar, Vest Recklinghausen |
In der Bauernschaft Westerholt, Vest Recklinghausen |
Aus welchem Grund ? |
Vorwurf der Hexerei, möglicher Hintergrund: Trine war mit Dirk Mouve verlobt, den Frau Vogt gerne für ihre Tochter gehabt hätte. Frau Vogt wirft Trine Plumpe vor, sie habe sie mit Kirschen vergiftet. |
Der junge Krampe verfolgte Anna, aber sie wies ihn zurück. Daraufhin beschuldigte er sie, ihm durch Hexerei seine sexuelle Kraft genommen zu haben. |
Mit welchen Mitteln ? |
Lästerei, Haft im Kerker, Folter |
falsche Anklage, Haft, Folter und Hinrichtung |
Verlauf des Konflikts |
Anna Schorfeld wird gefoltert, “bekennt” und beschuldigt ihre Tochter Trine. Trine weist die Verdächtigungen zurück. Anna Schorfeld wird vor einer Gruppe von Zuschauern auf dem Segensberg verbrannt. Dirk Mouve reitet mit einem Empfehlungsschreiben des Ortspfarrers zum Generalvikar nach Köln, der eine Audienz bei Erzbischof Heinrich von Bayern (1650-1680) veranlasst. Beeinflusst von den Schriften Johann Weyers und Friedrich von Spees gibt er den Befehl die Hexenprozesse einzustellen und Trine Plumpe frei zu lassen. Währenddessen war Trine Plumpe mehrfach gefoltert worden, hatte sich aber nicht zur Hexerei bekannt. |
Er lauerte Anna mit mehreren Freunden, Knechten von Westerholter Bauernhöfen auf und verprügelte sie bis sie ein “Geständnis” ablegte. Sie wurde vom Bürgermeister, den der Graf von Westerholt zum Richter bestimmt hatte, festgenommen. In den Verhören lehnte sie die Aussagen ab, aber unter Folter gab sie alles zu, was der Richter hören wollte. Der Graf von Westerholt hatte das Recht Todesurteile zu fällen. Er konnte sie allerdings auch zurücknehmen. Anna Spiekermann wurde im Januar 1706 zur Hinrichtung durch das Schwert und anschließender Verbrennung verurteilt. Dieses “Schauspiel” sollte vor allen Bewohnern Westerholts stattfinden, “zum abscheulichen Exempel”, wie der Richterspruch sagte. Es entstanden dann Auseinandersetzungen über den Ort der Hinrichtung und die Teilnahme der Bürger, wodurch Annas Haft noch über Monate ausgedehnt wurde. |
Ergebnis |
Der kurfürstliche Statthalter setzt Richter und Ratsherren ab, verbietet jeden weiteren Hexenprozess und befiehlt die Freilassung Trines aus dem Quadenturm. |
Anna Spiekermann wurde vor den Bürgern hingerichtet, die zunächst an der Hinrichtung nicht teilnehmen wollten und von Soldaten aus den Häusern geholt werden mussten. Die Bürger mussten 186 Reichstaler für Gerichtskosten an den Grafen von Westerholt zahlen. Vermutlich hatte Anna
Spiekermann kein Vermögen, normalerweise mussten die Angehörigen für die entstandenen Kosten für Haft und Hinrichtung aufkommen. |
Recht |
Anna Schorfeld und Trine Plumpe wurden verleumdet und zu Unrecht zu Tode gebracht bzw. gequält. |
Das Motiv des Anklägers war ganz klar Rache. Anna Spiekermann wurde unschuldig verurteilt, da sich niemand für ihr Recht einsetzte. |
Macht |
Die Macht lag bei den Gerichten, die Angeklagten hatten kaum eine Chance der Verteidigung. Nur der Einsatz ihres Verlobten und das vernüftige Verhalten des Erzbischofs von Köln retteten Trine vor dem Tod. |
Die Macht lag beim Burgherren, dem Grafen von Westerholt und beim Gericht. Auch die Bürger von Westerholt hatten unter dieser Macht zu leiden. 700 Landschützen aus Nachbarorten wurden herbeigeholt um die Bürger zum Zuschauen bei der Hinrichtung zu zwingen. Bis heute liegt ein “Tabu” auf den Gerichtsakten, die in der Burg der Grafen zu Westerholt aufbewahrt werden. |
Weltanschauung |
Der Glaube, dass bestimmte Menschen unter dem Einfluss des Teufels handeln, war verbreitet. Allerdings wurde der Vorwurf der Hexerei hier von der Klägerin bewusst dazu benutzt, eine Rivalin aus dem Weg zu räumen. |
Eigentlich musste allen Beteiligten klar sein, dass der junge Krampe sich an Anna rächen wollte und sie zu Unrecht verklagt hat, und trotzdem taten (fast) alle Bürger so, als wäre Anna eine Hexe. Und deshalb wurde sie von niemandem verteidigt. |
Quellen |
Hochlar - eine Ortsteil-geschichte |
Adelheid Kollmann, Sagen aus dem alten Vest und dem Kreis Recklinghausen, Recklinghausen 1994, S. 78ff. und der Bericht des Vorsitzenden des Westerholter Heimatvereins, Matthias Latus. |
Der 3. Fall in Kürze:
Am 15.7.1628 wurde die 80-jährige Anna Koppers aus Lüdinghausen festgenommen, dreimal peinlich verhört (gefoltert), und am 4.8.1628 wegen Umgang mit dem Teufel hingerichtet. Sie war das älteste
Opfer im Vest Recklinghausen.
Als Ergänzung:
1595 wurden im Vest Recklinghausen auch Frauen aus der Oberschicht angeklagt, deren Familien aus politischen Gründen entehrt werden sollten. So versuchte sich eine Gruppe im Vest der politischen Konkurrenz zu entledigen, um selbst an die Macht zu kommen.
Quellen:
Adelheid Kollmann, Sagen aus dem alten Vest und dem Kreis Recklinghausen, Recklinghausen 1994, S. 78ff. und der Bericht des Vorsitzenden des Westerholter Heimatvereins, Matthias Latus.
1) Gudrun Gersmann, “Toverie halber…” Zur Geschichte der Hexenverfolgung im Vest Recklinghausen, in: Vestische Zeitschrift, Bd. 92/93, 1993/94, S. 42
2) Gudrun Gersmann, a.a.O.